Nebenwirkungen der Lizenzpflicht

Foto:  Christina Scheunemann

Wer Rechte hat, der hat auch Pflichten - diese Aussage kennen wir doch sehr gut, auch als Lizenzinhaber.

Interessanterweise konzentrieren sich jedoch einige gerne ausschließlich auf ihre Rechte, und weniger auf ihre Pflichten. Das liegt vielleicht auch daran, dass Pflichten schon äußerst lästig sein, und einem das Gefühl der Einschränkung geben können.  

Da Lizenzinhaber über ihre Rechte sehr gut Bescheid zu wissen scheinen – allem voran, was die Bezahlung, Auslösegrenzen, Überstunden, Urlaub und Freizeitansprüche angeht – muss man schon auch Mal nach ihren spezifischen Pflichten fragen.  

Hierbei fällt dann gerne der Satz: „Das darf man jetzt nicht so genau nehmen“, „das ist Auslegungssache“, oder „man kann es auch übertreiben mit der Genauigkeit“. Es wird einfach mit Floskeln abgetan, und alles schnell als vernachlässigbar abgewunken, so dass sich förmlich die Frage aufdrängt:   

Wie genau nimmt man denn nun die Pflichten, wenn man seine Rechte definitiv äußerst genau nimmt?  

Mit den flugbetrieblichen Pflichten wie z. B. First-Aid, Fire-Fighting, Dangerous Goods, CRM, der 90-Tage-Regel, den regulären Checkflügen, hat jeder, der sich in einem Flugbetrieb befindet, regelmäßig zu tun, und ist mit ihnen daher in der Regel sehr gut vertraut. Genauso macht jedes Besatzungsmitglied (und jeder ambitionierte Privatpilot) regelmässig einen Termin beim Flugmediziner aus (Piloten ab dem IFR-Level sogar jährlich), um die zu aktualisierende Tauglichkeitsuntersuchung durchführen zu lassen. Diese Untersuchung wird durchaus auch als „der lästige Termin“ bezeichnet. Wenn der Termin dann erfolgreich erledigt ist, und jeder wieder frohen Mutes nach Hause fährt, dann wird das Thema Medical sprichwörtlich gerne ad acta gelegt; bis der nächste Termin wieder ansteht.  

Aber was ist denn überhaupt in der Zwischenzeit mit der Gesundheit eines Besatzungsmitgliedes? Wer kümmert sich fortlaufend um die Einhaltung der Regularien, die daraus resultieren? Welche Verantwortung obliegt dabei dem Lizenzinhaber? Oder reicht es, wenn man stillschweigend versucht, das Thema und die damit verbundenen Probleme zu vermeiden?  Was besagt denn nun beispielsweise die jedem Piloten bekannte Part-FCL (Part-MED), welche unter der Europäischen Verordnung 1178/2011 auch auf deutsch gelesen werden kann? (Die Europäische Kommission, 2011) 

In den allgemeinen Anforderungen für die medizinische Flugtauglickeit wird beschrieben, dass Lizenzinhaber die Pflicht haben, die mit der Lizenz verbundenen Berechtigungen zu keinem Zeitpunkt ausüben zu dürfen, wenn sie eine 

  • medizinsche 
  • chriurgische oder eine
  • sonstige Behandlung erhalten, 

die die Flugsicherheit beeinträchtigen könnte. (Part-MED.A.020)  

Was bedeutet der Terminus, eine medizinische, chirurgische oder sonstige Behandlung? Wir können also zunächst einmal feststellen, dass wir drei Begriffe definieren müssen, um zu verstehen, was uns dieser Satz tatsächlich mitteilen​ will.

Eine weitere Frage wäre dann, wie der Teilsatz „[…], die die Flugsicherheit beeinträchtigen könnte“ zu interpretieren ist? Nehmen wir uns zunächst einmal den Begriff chirurgische Behandlung vor. Die Chirurgie befasst sich in der Medizin mit der operativen Behandlung von Krankheiten und Verletzungen. (Einbock GmbH, 2022)
Sollte sich ein Lizenzinhaber entsprechend einer operativen Behandlung einer Krankheit unterziehen müssen, würde dies bedeuten, dass er dazu verpflichtet ist, seine Lizenzrechte ruhen zu lassen, da er die beschriebenen Vorgaben des „Part-MED.A.020 - Verschlechterung der medizinischen Tauglichkeit“ durch den chirurgischen Eingriff erfüllt.  

Für den zweiten Begriff definiert beispielsweise einer der größten deutschen Versicherungsunternehmen den Begriff „ medizinische Behandlung“ wie folgt:  
„Eine medizinische Behandlung beginnt mit dem Aufsuchen bzw. der Inanspruchnahme eines Behandlers (z.B. Arzt, Psychologe, Physiotherapeut usw.; ambulant oder stationär) aufgrund von z. B. Gesundheitsstörungen, Beschwerden oder Schmerzen.  Die Behandlung endet mit dem Erreichen des Behandlungsziels (z. B. Zustand der Beschwerdefreiheit, Wiedererlangung der vollen Funktionalität, Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit) und schließt ein, dass der/die Patient/-in (der/die zu Versichernde) keiner weiteren Diagnostik, Verlaufsbeobachtung, Nachsorge oder wiederholten Therapie bedarf (z. B. Verordnen von Medikamenten, Hilfs- oder Heilmitteln, Durchführen von Physiotherapie, Psychotherapie usw.). 
Demnach ist bereits das Aufsuchen eines Hausarztes als Behandlungsbeginn zu bewerten, sofern es sich hierbei nicht um eine Routineuntersuchung ohne entsprechenden Anlass (Beschwerden, Schmerzen, etc.) handelt. Auch die Zeit zwischen der Erstbehandlung und der Folgebehandlung beim Facharzt wird als Behandlungszeitraum gesehen.“ (Allianz Deutschland AG, 2018) 

Der Begriff „sonstige Behandlung“ schließt damit alle anderen Arten von Behandlungen mit ein.  

Diese Art der Definitionen erscheint aus Sicht eines AOC-Betreibers als äußerst ungünstig, da die Einhaltung der lizenzrechtlichen Verordnung bei genauer Kenntnis der Lizenzinhaber dazu führen würde, dass es ein höheres Pflichtbewusstsein der Lizenzinhaber generieren würde. Für einen AOC-Betreiber bedeutet das schlussendlich, die höheren Kosten für das Pflichtbewusstsein seiner Angestellten tragen zu müssen.

Besser ist es doch, wenn der Lizenzinhaber seine auszuübenden Rechte kennt, und die Pflichten, die ihm daraus resultieren, nicht genauer wahrnimmt. Das Problem - sollte jemals eines auftauchen - lastet dann ja auf den Schultern des Lizenzinhabers, da er ja für die Einhaltung seiner Pflichten verantwortlich ist, und der AOC-Betreiber konnte aufgrund von Unkenntnis jahrelang massiv Kosten einsparen.  

Da die Verabreichung eines Medikamentes in den Teilbereich einer medizinischen Behandlung eingeordnet wird, stellt sich die Frage:
Inwieweit ist jetzt die Kenntnis von Nebenwirkungen bei der Medikamenteneinnahme bzw. der Medikamentenverabreichung zu prüfen, oder entsprechend mit den Informationen aus dem Beipackzettel umzugehen, um diese Informationen mit den Pflichten aus Part-MED.A.020 zu vereinbaren? 

Genau dafür hat die Europäische Kommission allgemeine Erfüllungsmodalitäten also General Means (GM) festgelegt.  Es wird explizit darauf hingewiesen, dass jedes Medikament Nebenwirkungen hervorrufen kann, von denen einige die sichere Ausübung der fliegerischen Pflichten beeinträchtigen können. Krankheitssymptome wie auch Nebenwirkungen können vielleicht am Boden keine Probleme verursachen, aber das Besatzungsmitglied während des Fluges ablenken, und seine Leistung während des Dienstes beeinträchtigen.  
Speziell die Umgebung während des Fluges kann auch die Schwere von Nebenwirkungen oder Symptomen verstärken, die am Boden vielleicht nur geringfügig sind. So ist es möglich, dass Symptome durch die Einnahme der zur Behandlung verschriebenen oder rezeptfrei erhältlichen Medikamente in Verbindung mit den Nebenwirkungen dieser Arzneimittel verschlimmert werden.  

Um die Nebenwirkungsfreiheit eines Besatzungsmitgliedes sicherzustellen, wird darauf hingewiesen, dass die Lizenzhalter vor der Einnahme von Medikamenten, vor der Aufnahme einer Tätigkeit als Besatzungsmitglied im Flugbetrieb, die folgenden drei grundlegenden Fragen zufriedenstellend beantworten müssen: 

  1. Fühle ich mich fit zum Fliegen? 
  2. Muss ich überhaupt Medikamente einnehmen? 
  3. Habe ich dieses bestimmte Medikament am Boden persönlich ausprobiert, um sicherzustellen, dass es keine nachteiligen Auswirkungen auf meine Flugtauglichkeit haben wird?“ Eine Bestätigung, auch ohne das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen, kann trotzdem durchaus die Beratung eines fachkundigen Flugmediziners erfordern, um eine Nebenwirkungsfreiheit feststellen zu können.

Da heutzutage viele Präparate auf dem Markt eine Kombination von Arzneimitteln enthalten, ist es unerlässlich, bei jeder neuen Medikation oder Dosierung - und sei sie noch so gering - die Wirkung vor dem Flug eines Besatzungsmitgliedes am Boden zu beobachten, da auch eine unerwünschte Überempfindlichkeit entstehen kann. In Zweifelsfällen sollte ein flugmedizinischer Gutachter konsultiert werden, oder von der Aufnahme des Flugbetriebes abgesehen werden. (European Union Aviation Safety Agency, 2019) 

Wie viele sagten schon: „Ja, was soll mir denn passieren?“, „Wo kein Kläger, da kein Richter.“? "Wer diese Pflicht verletzt, riskiert strafrechtliche Sanktionen, unter Umständen sogar den Entzug seiner Lizenz, und im Schadensfall den Versicherungsschutz! Denn Verstöße in diesem Bereich sind kein Kavaliersdelikt, so wie vielleicht manch einer glauben möge." (Dörner, 2022) 

So beschreibt die LuftPersV, dass bereits eine Ordnungswidrigkeit begangen wird, wenn der Inhaber entgegen des Anhangs IV der EU (VO) 1178/2011 oder besser bekannt als Part-FCL 
„a) MED.A.020 Buchstabe a die mit der Lizenz oder mit einer zugehörigen Berechtigung oder einem zugehörigen Zeugnis verbundenen Rechte ausübt, 
b) MED.A.020 Buchstabe d als Flugbegleiter seine Aufgaben an Bord eines Luftfahrzeugs wahrnimmt […]“ und gegen die geltenden gesetzlichen Grundlagen fahrlässig und vorsätzlich verstößt. (Bundesministerium der Justiz, 1922, 1976; Die Europäische Kommission, 2011, 2012) 

Die mit der Lizenz verbundenen Rechte dürfen nur ausgeübt werden, solange das Medical, entsprechend MED.A.020, die Ausübung auch zulässt. Findet MED.A.020 Anwendung, kann und ist die Erlaubnis nicht gültig.  Wer dabei dann „ein Luftfahrzeug ohne die Erlaubnis […] führt oder bedient oder als Halter eines Luftfahrzeugs die Führung oder das Bedienen Dritten, denen diese Erlaubnis nicht erteilt ist, gestattet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 
"(2) Wer die Tat fahrlässig begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft."(Bundesministerium der Justiz, 1922) 

Wer als Führer eines Luftfahrzeugs oder als sonst für die Sicherheit Verantwortlicher durch grob pflichtwidriges Verhalten gegen eine im Rahmen der Luftaufsicht erlassene Verfügung (§ 29) verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Möchte man die von Gesetz auferlegten Pflichten zum Schutz der Passsagiere und anderer Besatzungsmitglieder sowie der Bevölkerung über deren Köpfe man fliegt, also nicht einhalten, so besteht eine eindeutige Möglichkeit gegen diese Gesetze zu verstoßen. (Bundesministerium der Justiz, 1922) 

Grundsätzlich ist also vorerst einmal festzuhalten, dass wir, nach. MED.A.020, grundsätzlich nebenwirkungsfrei unsere Lizenzrechte ausüben dürfen. Sollten wir aber Medikamente eingenommen haben, die nebenwirkungsfrei erscheinen, so kann eine flugmedizinische Abklärung trotzdem notwendig werden, um die Wirkung auf den eigenen Körper abzuklären. Trotz aller Vorsicht ist dann immer noch nicht sichergestellt, dass aufgrund der sich ändernden Umweltbedingungen die Leistung der Lizenzinhaber nicht doch noch negativ beeinträchtigt werden kann. (Bundesministerium der Justiz, 1922, 1976; Die Europäische Kommission, 2011, 2012; European Union Aviation Safety Agency, 2019) 

Nähern wir uns unserem Problem doch Mal, indem wir die bekannten Regeln des Straßenverkehrs auf die Luftfahrt übertragen. Nehmen wir dazu doch einmal ein klassisches Medikament, welches sich vermutlich in nahezu jeder Hausapotheke wiederfindet: Aspirin, mit seinen verschiedensten Bezeichnungen, oder einfach nur als „Kopfschmerztablette“.  In Deutschland gilt es auch für Autofahrer, die Fahrtüchtigkeit nachzuweisen und zu beurteilen. Dazu gibt der Bußgeldkatalog ein paar Hilfestellungen, um die Auswirkung auf die Fahrtüchtigkeit einzuschätzen. 

(Bußgeldkatalog.org, 2022)

Aus versicherungstechnischer Sicht wissenswert ist, dass bei einem Unfall unter Medikamenteneinfluss gegebenenfalls der Kaskoversicherungsschutz erlischt. Wenn die Fahrtauglichkeit durch Medikamente so sehr behindert wird, dass Fahrfehler und körperliche Ausfallerscheinungen auftreten, kann sogar die Strafbarkeit einer Trunkenheitsfahrt nach § 316 Strafgesetzbuch (StGB) in Frage kommen. (Bundesministerium der Justiz, 1871)
Hier ist als Sanktion neben der Geld- auch eine Freiheitsstrafe möglich, was die Brisanz der Medikamente im Straßenverkehr unterstreicht. (Bußgeldkatalog.org, 2022) 
Ordnen wir das mal entsprechend der Struktur einer verbalen Rating-Skala (VRS) an, und sehen uns an, wie diese Darstellung und Interpretation dann aussehen würde.

(Bierhoff & Petermann, 2016; Bortz & Döring, n.d.; Raab-Steiner & Benesch Michael, 2008; Wagner, 2014; Wikimedia Foundation Inc., 2021) Also entsprechend der Angabe „schwach bis wenig“, kann einer VRS entnommen werden, dass die Intensität der Beeinflussung der Fahrtauglichkeit im Straßenverkehr mit einer Intensität von bis zu über 50%, bei einem Medikament wie Aspirin ausgegangen werden muss.1

Nun gut, natürlich werden jetzt viele aufschreien: „Was soll denn an einem Medikament wie Aspirin so gefährlich sein, wenn es denn frei verkäuflich am Markt verfügbar ist, und es schon seit Jahrzehnten eingenommen wird?“  

Dann sehen wir uns doch einmal ein wenig genauer an, worum es bei dieser Einschätzung denn geht: Aspirin kam schon 1899 auf den Markt, aber erst in den 1970er Jahren war klar, warum und wie der Stoff wirkt. Damals waren die gefährlichen Nebenwirkungen noch nicht im heutigen Ausmaß bekannt. Beispielsweise sind die schmerzlindernden Eigenschaften schnell verpufft, jedoch normalisiert sich das Blut aufgrund der gerinnungshemmenden Eigenschaft des Arzneimittels erst nach Tagen wieder. (Braunmiller, 2018) 

Aufgrund der mittlerweile erforschten Nebenwirkungen von ASS ist davon auszugehen, dass Aspirin heute nicht mehr zugelassen würde, wenn ein Unternehmen heute nochmal so ein Medikament entwickelte und am Markt zulassen wollte. (Neue Züricher Zeitung, 2004) 
Bis vor wenigen Jahren hat man noch nicht gewusst, wie stark und lang anhaltend ASS die Blutgerinnung hemmt. Das heißt, auch die Nebenwirkungen, unter anderem Magen-Darm-Blutungen, und die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind früher nicht entsprechend in der Packungsbeilage erwähnt worden. (der SPIEGEL GmbH & Co. KG, 2013; Heike Le Ker, 2009) 

Aspirin, oder speziell der Wirkstoff ASS kann Geschwüre und Blutungen im Magen oder Darm hervorrufen, weil es die Schleimhäute im Verdauungstrakt angreift. Das Medikament kann zudem Asthmaanfälle und Nierenschäden auslösen. Friedrich Hagenmüller schätzt, dass die Zahl der jährlichen Todesfälle in Deutschland, an denen Aspirin beteiligt ist, vierstellig ist: "Man muss annehmen, dass sich die Anzahl der Fälle zwischen 1.000 und 5.000 bewegt." (Norddeutscher Rundfunk, 2011) 

Der Wirkstoff dieses frei verkäuflichen Medikamentes ist ASS Acetylsalicylsäure und bewirkt laut der Informationen der Herzstiftung folgendes:  Acetylsalicylsäure (ASS oder Markenname Aspirin) ist ein bekanntes Schmerzmittel (Analgetikum), wird aber auch zur Beeinflussung der Blutgerinnung eingesetzt. Auf zahlreiche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen ist zu achten.  Explizit wird auf folgende Nebenwirkungen hingewiesen: Zu den häufigsten, kurzfristig auftretenden Nebenwirkungen gehören Magen-Darm-Beschwerden wie Sodbrennen, Übelkeit oder Durchfall. Außerdem kann der Wirkstoff zu leichten bis schwerwiegenden Blutungen führen. Treten diese im Magen-Darm-Bereich auf, bleiben sie oft unbemerkt, ziehen aber eine Eisenmangel-Anämie (Blutarmut) nach sich. (Deutsche Herzstiftung e.V., n.d.) 

Wenn Blutverdünner zur Therapie eingesetzt werden, besteht in erster Linie ein Risiko in Bezug auf das Auftreten von Blutungen im Magen-Darmbereich, im Gehirn sowie durch Stürze /Verletzungen. (Gramm & Bruhn, n.d.) 
Um zu klären, was „häufig“ in diesem Zusammenhang bedeutet: 
"Sehr häufig" bedeutet zum Beispiel: Bei mehr als zehn Prozent der Anwender (oder mehr als 1 von 10 Behandelten) können sich Nebenwirkungen einstellen. 
"Häufig" heißt: Bei bis zu zehn Prozent der Menschen (oder bis zu 1 von 10), kann es zu Nebenwirkungen kommen. (Melzer, 2019) 

Wer ein Gerinnungshemmendes Medikament einnimmt, wodurch der Blutdruck gesenkt wird, sollte also unbedingt seinen Blutdruck überwachen. (Utsch, 2021) 
So kann durch die Einnahme von Gerinnungshemmern, wie Aspirin, im Körper eine Art Blutarmut entstehen, durch die zu wenig Hämoglobin als Sauerstoffträger im Blut vorhanden ist und somit den Sauerstofftransport im Körper einschränkt. (Cardiopraxis Düsseldorf & Meerbusch, 2020) 

Übertragen wir das doch nun einmal auf die luftfahrtspezifischen Anforderungen:  Ein Lizenzinhaber hat bei der Ausübung seiner Lizenzrechte die Pflicht, nebenwirkungsfrei von Medikamenten zu sein, um seine Rechte nach Part.MED.A.020 ausüben zu dürfen. Diese Pflicht findet sich für jedes Besatzungsmitglied in der Vorschrift EU (VO) 965/2012 oder besser bekannt als Part-OPS in Teil CAT.GEN.MPA.100 und 105. (Die Europäische Kommission, 2012) 
Kann er dies nicht, so darf er die Rechte nicht ordnungsgemäß ausüben, bis die Nebenwirkungsfreiheit wieder hergestellt ist. Hintergrund ist das beispielsweise Kasko-Luftfahrtversicherung und Luftfahrt Unfallversicherungen die Versicherungsleistung ausschließen wenn:

  • der verantwortliche Luftfahrzeugführer durch Medikamente, Drogen, andere berauschende Mittel oder Alkohol oder durch ihm bekannte gesundheitliche Beeinträchtigungen zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles fluguntauglich war;
  • der versicherten Person als Führer eines Luftfahrzeugs, bei Eintritt des Unfalls nicht die vorgeschriebenen Erlaubnisse, erforderlichen Berechtigungen oder Befähigungsnachweise hat bzw. sich das Luftfahr zeug nicht in einem Zustand befunden hat, der den gesetzlichen Bestim mungen und behördlichen Auflagen über das Halten und den Betrieb von Luftfahrzeugen entsprochen hat und/oder behördliche Genehmigungen,  soweit erforderlich, nicht erteilt waren.

denn ein Luftfahrzeug ist laut der Versicherungsunterlagen (AXA Versicherungs AG, 2017, 2018) hier beispielhaft der AXA Versicherungs AG nur versichert,

  • wenn es sich bei Eintritt des Schadenereignisses in einem Zustand befunden hat, der den gesetzlichen Bestimmungen und behördlichen Auflagen über das Halten und den Betrieb von Luftfahrzeugen entsprochen hat und/oder wenn behördliche Genehmigungen, soweit erforderlich, erteilt waren
    und 
  • wenn der/die Führer des Luftfahrzeuges bei Eintritt des Schadenereignisses die vorgeschriebenen Lizenzen, Erlaubnisse und erforderlichen Berechtigungen und/oder wetterbedingten Freigaben gültig waren. (AXA Versicherungs AG 2017, 2018) 

Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben der EU (VO 965/2012 CAT.GEN.MPA.180 ist es erforderlich, dass während jeden Fluges ein gültiges Versicherungsdokument mitgeführt wird. (Die Europäische Kommission; 2012) Folgende Fragen dürften damit offenkundig im Raum stehen:

  • Wenn der Betreiber wissentlich eines medizinischen Umstandes einem Besatzungsmtiglied das Flugzeug überlässt, ist dann eine Versicherung gültig?
  • Gilt die Versicherung, wenn die Gültigkeit eines Medicals aufgrund von Part.MED.A.020 nicht einwandfrei belegt ist?
  • Ist die Versicherung gültig, wenn das Besatzungsmitglied wissentlich gegen die Vorgaben entsprechend Part.MED.A.020, Part.CAT.GEN.MPA.100 und 105 bzw. Part-MED.A.020, Part-MED.B.005 oder Part-MED.C.020 und somit wiederum nach deutschen Recht gegen die LuftPersV, sowie gegen das LuftVG und unter Umständen auch dem Strafgesetzbuch entsprechend StGB §315a Gefährdung des Bahn Schiff und Luftverkehrs agiert?

Bleiben wir beim Beispiel Aspirin und dem Wirkstoff ASS. Wie der Bußgeldkatalog schon zur Kenntnis gibt, ist das Medikament Aspirin also nachweislich nicht nebenwirkungsfrei, auch wenn wir uns im Anschluss danach gut fühlen. Die blutdrucksenkende Eigenschaft und der verminderte Sauerstofftransport im Blut (Blutarmut aufgrund von möglichen Magen-Darm Blutungen) führen zu einer möglichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit  eines Lizenzinhabers in einem luftdruckreduzierten Umfeld.  Mit zunehmender Höhe nimmt der Luftdruck ab. Dementsprechend sinken auch der alveoläre Sauerstoffpartialdruck und die Sauerstoffsättigung des Hämoglobins. (H. Hinghofer-Szalkay, n.d.) 

In Kombination führt also eine Reduktion des Umgebungsdrucks zu einer Weitung der Blutgefäße. In Kombination mit einer möglichen Nebenwirkung entsprechend der VRS - wie Magen-Darmblutung von bis zu über 50% Intensität der Beeinflussung - ist also bei Einnahme von ASS defintiv von einer möglichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, auch aufgrund von Sauerstoffsättigungsproblemen während des Flugbetriebes, auszugehen, auch wenn diese nicht direkt bemerkt wird.  Damit würde wohlmöglich schon eine Pflichtverletzung eines einzelnen Besatzungsmitgliedes bereits über  die Zuständigkeiten des Besatzungsmitgliedes bzw. des Kommandanten nach EU (VO) 965/2012 entstehen, weil ein Besatzungsmitglied nichts über seine Einschränkung in der Leistungsfähigkeit gesagt hat und den Dienst antritt.

Was werden da wieder ach so viele sagen? 

Ich kann sie förmlich hören: „i-Tüpferl-Reiter, Kleinkrämer, Krümelkacker, Bürokrat, Erbsenzähler, Prinzipienreiter, ..."
Doch auch wir können Euch nur den Gesetzestext zur Verfügung stellen, und entsprechend wiedergeben was dort geschrieben steht.

Grundsätzlich möchten wir jedoch jedes Besatzungsmitglied und Lizenzinhaber dazu ermutigen, sich über seine Pflichten zu informieren, um nicht ungewollt Probleme zu verursachen, welche leicht zu vermeiden gewesen wären. 
Aus diesem Grund wünschen wir Euch auch bei diesem spannenden Thema viel Spaß beim Recherchieren, darüber Reden und Nachdenken. 

Wir freuen uns schon mit Euch den Zweiten Teil dieses spannenden Themas zu ergründen.

Quellen:

Allianz Deutschland AG. (2018). Begriffsdefinition “Behandlung” (Gelöst) | Allianz hilft. https://forum.allianz.de/service/lebensversicherung--bedingungen/frage/begriffsdefinition-behandlung

AXA Versicherungs AG. (2017). Bedingungen für die Luftfahrt-Unfallversicherung für Piloten von gecharterten Luftfahrzeugen (AVB 210/2017). www.bafin.de

AXA Versicherungs AG. (2018). Bedingungen für die Flugzeug Kasko-Selbstbeteiligungsversicherung für Piloten von gecharterten Luftfahrzeugen (AVB 410/2018). www.bafin.de
Bierhoff, H.-W., & Petermann, F. (2016). Forschungsmethoden der Psychologie I (Fernlehrbrief). Forschungsmethoden Der Psychologie.

Bortz, J. 1943-2007, & Döring, N. (n.d.). Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler mit 87 Tabellen.

Braunmiller, H. (2018). Risiko Schmerztablette - Umstritten, aber ungebrochen beliebt. https://www.srf.ch/news/panorama/risiko-schmerztablette-umstritten-aber-ungebrochen-beliebt

Bundesministerium der Justiz. (1871). “Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 4. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2146) geändert worden ist.”https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/StGB.pdf

Bundesministerium der Justiz. (1922). Neugefasst durch Bek. v. 10.5.2007 I 698 Zuletzt geändert durch Art. 1 G v. 10.7.2020 I 1655. https://www.gesetze-im-internet.de/luftvg/LuftVG.pdf

Bundesministerium der Justiz. (1976). “Verordnung über Luftfahrtpersonal in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Februar 1984 (BGBl. I S. 265), die zuletzt durch Artikel 2 der Verordnung vom 7. Dezember 2021 (BGBl. I S. 5190) geändert worden ist.” www.gesetze-im-internet.de

Bußgeldkatalog.org. (2022). Medikamente im Straßenverkehr - das verkannte Risiko. https://www.bussgeldkatalog.org/medikamente-im-strassenverkehr/

Cardiopraxis Düsseldorf & Meerbusch. (2020). Blutungen durch Gerinnungshemmer | Cardiopraxis. Https://Www.Cardiopraxis.De/. https://doi.org/10.1093/EURHEARTJ/EHAA612/5899003

DER SPIEGEL GmbH & Co. KG. (2013). Abgelaufene Medikamente: Wann darf man sie noch nutzen? - DER SPIEGEL. https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/abgelaufene-medikamente-wann-darf-man-sie-noch-nutzen-a-934470.html

Deutsche Herzstiftung e.V. (n.d.). Aspirin: Wirkung, und Nebenwirkungen | Herzstiftung. Retrieved January 27, 2023, from https://www.herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/gerinnungshemmung-und-medikamente/ass-aspirin

Die Europäische Kommission. (2011). VERORDNUNG (EU) Nr. 1178/2011 DER KOMMISSION vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2011:311:FULL&from=DE

Die Europäische Kommission. (2012). VERORDNUNG (EU) Nr. 965/2012 DER KOMMISSION vom 5. Oktober 2012 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf den Flugbetrieb gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates.

Dörner, F. (2022). Flugtauglichkeit: Sind Sie wirklich fit fürs Cockpit? - fliegermagazin. https://www.fliegermagazin.de/wissen/flugtauglichkeit-sind-sie-wirklich-fit-fuers-cockpit/

Einbock GmbH. (2022). Chirurgie: Definition, Begriff und Erklärung im JuraForum.de. https://www.juraforum.de/lexikon/chirurgie

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H. Hinghofer-Szalkay. (n.d.). Höhe, Tiefe, Druckänderungen - Physiologie. Retrieved January 27, 2023, from http://physiologie.cc/XVIII.3.htm

Heike Le Ker. (2009). Aspirin und Co.: Blutverdünner können für Gesunde gefährlich werden - DER SPIEGEL. Spiegel Wissenschaft. https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/aspirin-und-co-blutverduenner-koennen-fuer-gesunde-gefaehrlich-werden-a-659271.html

Melzer, M. (2019). Acetylsalicylsäure (ASS): Wie die Arznei wirkt, wichtige Hinweise | Apotheken Umschau. Wort & Bild Verlag Konradshöhe GmbH & Co. KG. https://www.apotheken-umschau.de/medikamente/wirkstoffe/acetylsalicylsaeure-ass-wie-die-arznei-wirkt-wichtige-hinweise-717925.html

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Norddeutscher Rundfunk. (2011). Aspirin: Die gefährlichen Nebenwirkungen | NDR.de - Ratgeber - Gesundheit. https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Aspirin-Die-gefaehrlichen-Nebenwirkungen,aspirin106.html

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Utsch, S. (2021). Schon gewusst? Blutverdünner verdünnen unser Blut gar nicht - bildderfrau.de. FUNKE DIGITAL GmbH BILD Der FRAU Digital. https://www.bildderfrau.de/gesundheit/praxisratgeber/article233175919/blutverduenner-gerinnungshemmer.html

Wagner, A.-S. (2014). Das Modell moderner Organisationsentwicklung: Theoriegeleitete Strukturgleichungsmodellierung ausgewählter Modellbestandteile. 319. http://link.springer.com/10.1007/978-3-658-02126-9

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